4. AKT – Am Abgrund

Die nun entstandene Situation war an Brisanz und scheinbarer Ausweglosigkeit kaum zu überbieten: In der breiten Öffentlichkeit hatte man Saab mehr oder weniger abgeschrieben, während die schwedische Regierung mit negativen Äußerungen zusätzlich Öl ins Feuer goss und sich insgesamt eher zögerlich verhielt.

Gerüchte überschlugen sich, GM sei grundsätzlich unwillig, den Saab-Verkauf durchzuführen. Jan-Ake Jonsson, der schwedische Saab-Chef, hatte sich bereits in den vergangenen Monaten als Fels in der Brandung erwiesen – stets mit Geduld, Weitblick und Zähigkeit agierend. Jetzt jedoch wuchs er über sich selbst hinaus, unterstützt von einem außerordentlich starken Führungsteam.

Es gelang ihm, der GM-Spitze eine neue Galgenfrist bis zum Jahresende abzuringen. Als er bei seiner Rückkehr vor den Fabrikmauern in Trollhättan von der gesamten Belegschaft begeistert gefeiert wurde, war dies einer der magischen Momente der Saab-Geschichte. In ihrer größten Krise zeigte die Marke Stärke und unbeugsamen Überlebenswillen. Wer gedacht oder gehofft hatte, Saab würde sang- und klanglos von der Bildfläche verschwinden, wurde eindrucksvoll eines Besseren belehrt.

Weltweit waren wundersame Kräfte am Werk: Schon immer hatten sich Saab-Besitzer mit ihrer Marke weitaus mehr identifiziert, als Fahrer anderer Automobile mit ihrer jeweiligen Marke.

Bereits zu Beginn des Dramas war im Frühjahr vom mobil forum Dresden die „Rescue-Saab“ Internet-Kampagne initiiert worden und bildete eine der wichtigsten Keimzellen des weltweiten Saab-Supports. Zum zentralen Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Aktivitäten wurde dann vor allem www.saabsunited.com, vielgenutztes Internetblog des Australiers Steven Wade.

Mit massiver Unterstützung zahlreicher Enthusiasten, darunter einige PR-Profis, wuchs man über sich selbst hinaus: So mobilisiert beteiligten sich Zehntausende an vielfältigen und wirkungsvollen Initiativen, beispielsweise Unterschriften-Aktionen an alle verantwortlichen Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.

Trotz weiterer Kaufinteressenten führte GM inzwischen nur noch ernsthafte Verhandlungen mit Victor Muller, dem Chef der niederländischen Sportwagenschmiede Spyker. Obwohl Monate der Unsicherheit die Position von Saab erheblich geschwächt hatten, sah es wieder recht gut aus.

Am 17. Dezember 2009 kam wenige Tage vor Weihnachten dann aber der große Knall: „Verhandlungen mit Spyker gescheitert“ verkündete GM. War nun alles aus? Wieder erklärte man Saab in der Öffentlichkeit für tot. Die Chinesen kauften Teile der veralteten Fertigungsanlagen ausgelaufener Saab-Modelle, was in der Presse allgemein als Verkauf der aktuellen Produktionsanlagen missverstanden wurde. GM verkündete die Liquidierung von Saab zum Jahresbeginn 2010.




Interessante Links